Lasst Kinder und nicht Computer lernen!

Im Jahre 2010 stellte Steve Jobs mit Lobeshymnen das erste iPad von Apple vor. Neunzig Minuten erklärte er, warum es nichts besseres am Markt gäbe. Seinen eigenen Kindern aber verbot er das iPad: "Zuhause beshränken wir den Technikkonsum unserer Kinder auf das Minimum." Der Herausgeber von Wired verbot seinen Kindern die Nutzung von Geräten mit Bildschirm. Evan Williams, der Gründer von Twitter, kaufte seinen Söhnen jede Menge Bücher, aber nie ein Smartphone.

Das sind nur drei Beispiele von vielen, in denen Technologiepioniere ihre für die Menschheit so segensreiche Tätigkeit ihren Kindern vorenthalten. Ihr professioneller Instinkt sagt ihnen, das der Schaden durch die neuen Technologien höher wäre als der Nutzen daraus und das wollten sie ihren Kindern nicht zumuten. Trotzdem hat in den österreichischen Bildungsbehörden eine regelrechte digitale Sucht um sich gegriffen. Nicht einmal Kindergärten bleiben davon verschont. Diese Sucht heisst Digitalisierung.

Die österreichische Bundesregierung plant jetzt einen Masterplan mit dem Namen "Digitalisierung der österreichischen Schulen". Denn "nur" die Hälfte aller Schulen verfügen über WLan und nicht jede Schulklasse kann stolz auf ein Smartboard verweisen. Die Devise lautet: "Jedem Schüler sein Tablet". Geld scheint keine Rolle zuJedenfal spielen, den 100 Millionen Euro sollen in den Breitbandausbau fliessen, um 160 Millionen sollen Notebooks und Tablets angekauft werden. Da das Ganze auch gewartet werden muß, braucht man weitere 60 Millionen: In Summe 320 Millionen Euro. Eine beeindruckende Summe, die stolz in der Öffentlichkeit verkündet wird. Im Gegensatz dazu wird man die Budgetzahlen für Schulbibliotheken und Schulmaterialien vergeblich suchen. Jedenfalls gilt mit den Worten Mafred Spitzers: Große Versprechungen, miserable Datenlage und unerträgliches Marktgeschrei.

Für Politiker durchaus verständliches Handeln, denn ein Einkaufsprogramm leifert rasch herzeigbare Ergebnisse. Dass man dabei das Problem zur Lösung erklärt, interessiert sie nicht weiter. Wozu Technologiefolgenforschung betreiben, wenn man das Problem der Anwendung den Lehrern überlassen kann. Hier beginnt die östliche Weisheit zu greifen. Ein chinesisches Märchen erzählt die Geschichte vom chinesischen Prinzen, der das Reich erkunden wollte, um die Sorgen der Untertanen zu erfahren. Um seiner Bequemlichkeit willen schenkt im der Kaiser eine Kutsche. Damit band er aber den Prinzen an die wohlausgebauten Strassen, das arme und rückständige Hinterland bleib ihm verborgen. Dieses Schicksal werden nun unsere Kinder mit dem Prinzen teilen. Das Lernen wird ihnen durch die Technologie erleichtert, aber sie lernen nur mehr das, das die Technik zuläßt. Die Welt außerhalb des digitalen Universums driftet in das nicht mehr Wahrnehmbare ab. So lernen sie das Nützliche (Wer legt das fest?) und das Planbare: Man kann somit den Lernfortschritt "objektiv" messen und das weitere Leben der Kinder danach ausrichten.

Kinder werden aber nicht als Technikfreaks geboren, bringt ihnen bei, Technikfreaks zu sein. Wir haben keine Wahl als genau das zu tun. Denn bereits der Philosoph Konrad Paul Liessmann bemerkt mit Recht, dass wir in Sachen Lernen ein paradoxes Ziel gewählt haben. Nicht mehr die Suche nach der Wahrheit oder zumindest die Gewinnung einer vorbildlichen Einsicht steht im Vordergrund, sondern das Lernen als Selbstzweck. Wissen ist zur Ware mit Ablaufdatum degeneriert, das in immer kürzeren Zyklen als geistiger Müll entsorgt werden muß.

Indem man das Lernen auf repetative technische Prozesse reduziert, gelingt der Zugriff in die Wissenswelt der Kinder. Endlich kann man auch diesen Bereich einer bürokratischen Kontrolle unterwerfen, man kann die Schule jetzt managen. Man ist nicht mehr auf die Fähigkeiten und Unwegbarkeiten eines Lehrers angewiesen, der Tag für Tag den Zugang suchen muß. Digitalisierung nützt dem bildungspolitischen Apparat, aber nützt er auch den Schülern? Diese Frage kann man getrost mit nein beantworten. Geben wir den Kindern Kreativität und die Lust am Lernen, aber keine Computer, Notebooks oder Tablets. Sie werden es unsdanken.